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Die Stadt an der Themse

Wie nicht anders zu erwarten ist London wunderschön - ob nun am Boden oder von hoch oben. Man merkt deutlich, wieviel Zeit und Liebe die Entwickler und Gamedesigner investiert haben, um eine möglichst getreue Nachbildung dieses spielbaren Teils der Stadt zu erschaffen. Ob nun die Straßenzüge, Bahnhöfe, Parks oder die historischen Bauwerke, alles wirkt sehr harmonisch und hat nach einer kurzen Einspiel- und Orientierungsphase großen Wiedererkennungswert. Auch nachts kann sich London durchaus sehen lassen.
Besonders hervorzuheben sind an dieser Stelle natürlich die bekannten historischen Bauwerke, Kirchen und andere Gebäude, die in London bis heute beliebte Touristenmagnete sind. So ist es wie immer ein unbeschreibliches Gefühl beispielsweise Houses of Parliament zu erklimmen und anschließend an der Uhr des Big Ben zu hängen. Liebe zum Detail? Absolut.

So schön London auch ist, ein paar Wermutstropfen gibt es allerdings. Wer etwas näher hinschaut, erkennt deutliche Unterschiede zum Vorgänger Assassin’s Creed Unity. Wahrscheinlich der Performance geschuldet, halten sich spürbar weniger Menschen in den Straßen der Stadt auf und es gibt keine Massenansammlungen von Menschen mehr. Zwar sind die Hauptstraßen immer von Kutschen befahren, jedoch findet man weniger Fußgänger und auch in den Nebengassen erwischt man weniger NPCs dabei, wie sie „einfach nur leben“. In Unity hatte der Spieler immer das Gefühl durch Paris laufen zu können und an jeder Ecke etwas Neues zu entdecken. Das Gefühl fehlt in Syndicate zwar nicht gänzlich, aber insgesamt fühlt sich London in diesem Punkt leerer an. Auch bei betretbaren Gebäude und Geschäfte gibt es Abstriche, denn auch diese finden sich bei Streifzügen durch die Stadt kaum noch und wenn, dann meistens nur, weil sich eine sammelbare Kiste in die Wohnung verirrt hat.
Der größte Abstrich, den Syndicate machen muss, ist eindeutig die Distanz von Gras- bzw. generell der Bodenstrukturen. Diese wurde sehr stark verringert und nun kann der Spieler in einem Umkreis von ca. 3-4m um den Charakter dem Gras regelrecht zusehen, wie es aus dem grünen Erdboden des Terrains wächst.

Nebenmissionen und Gameplay

Die Karte von London ist riesig und strotzt nur so von sammelbaren Gegenständen und Nebenmissionen, dabei wirkt sie zwar nicht mehr so überfüllt, wie in Assassin’s Creed Unity, aber trotzdem wird gleich nach dem ersten Blick klar: Hier gibt es einiges zu tun.
Die Bande „The Blighters“ herrscht in allen Teilen London und unterstützt so die Macht des Templerordens. Eine der Aufgaben des Spielers ist es nun, die Gebiete der feindlichen Bande zurückerobern und somit den Einfluss der Templer zu schmälern. Indem man Templer jagt, Verbrecher dingfest macht, Kinder befreit und anderen Nebenaufgaben nachgeht, säubert man nach und nach die einzelnen Stadtteile, bis man am Ende das Stadtteiloberhaupt besiegt und somit die Templer komplett aus diesem Gebiet verdrängt. Damit schaltet der Spieler nicht nur die Karte von London nach und nach frei, sondern erledigt auch Nebenaufgaben für seine Verbündeten, die ihm dafür Ausrüstung. Herstellungsmaterialien und andere Boni zukommen lassen.

Aber natürlich gibt es noch viele andere Nebenaufgaben, die in diesem Teil eindeutig besser und sinnvoller integriert wurden. Ob sie nun nötig sind, das soll jeder Spieler selbst entscheiden. Fakt ist, keine Nebenaktivität wirkt dieses Mal deplatziert oder aus dem Zusammenhang gerissen, sondern ideal in die Stadt, das Zeitalter und in die generelle Handlung integriert. Ob nun Faustkämpfe, wie man sie bereits aus vorherigen Teilen kennt, oder das Entführungen von Kutschen und Eisenbahnen. Die Missionen sind, zumindestens die ersten paar Mal, eine nette kleine Abwechslung und füllen gleichzeitig die Rohstoff- und Geldkasse. Einzig der Fakt, dass oftmals die optionalen Ziele zu schwierig oder völlig falsch übersetzt sind, trügt an dieser Stelle den Spielspaß.

Das Parkoursystem wurde in Assassin’s Creed Syndicate nochmals ein wenig verbessert und bekommt mit dem Seilwerfer, dem großen Bruder des Kletterhakens, ein völlig neues Element. Trotz aller Unkenrufe im Vorfeld macht dieser ehrlich viel Spaß und bietet endlich eine Möglichkeit, auch große Häuserschluchten zu überwinden. Auch in den Missionen macht sich das neue Gadget bezahlt, denn die Flucht vor Gegnern ist nun viel einfacher und bietet so die Gelegenheit, die Mission im Stealth-Modus fortzusetzen. Einzig, dass im Zuge dieses Elements das Springen in den Automodus wechseln musste, ist ärgerlich.

Der Klang der Industrialisierung

Mit Austin Wintory hat Assassin’s Creed Syndicate einen äußerst namenhaften Komponisten bekommen, der mit seiner Arbeit dem Spiel und dem Zeitalter mehr als nur gerecht wird und eine Atmosphäre schafft, wie es zuvor nur Jesper Kyd konnte. Die Stücke klingen ungewöhnlich und haben eine völlig andere Dynamik, als man es aus vorangegangenen Teilen kennt und genau das macht ihren Zauber aus. Wintory eröffnet Assassin’s Creed neue Klangwelten und hebt selbst einfache Momente mit seiner Musik besonders hervor. So erklingt bei einem Lauf durch die verregnete Stadt die Stimme einer Operndiva oder zarte Streicher untermalen die letzten Meter, bevor man die Spitze des Big Ben erreicht hat.


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