1. Antar

"Das Heiligen Land, im 12. Jahrhundert nach der Geburt Christi. Es war eine Zeit der Angst, eine Zeit des Krieges, und der einzige Weg, den Konflikt zu beenden, lag in der Hand der berüchtigsten Mörder der Geschichte.

Verschleiert in Geheimnissen, von Geburt an in der Kunst des Todes unterrichtet, jagden die Brüder ihre Ziele ohne Pause. Sie brachten den Tod ohne Gnade, und entkamen, um einen weiteren Tag zu kämpfen. Denn sie waren die Assassinen, und das war ihre Überzeugung."*

 

1. ANTAR**

Ein Pfeil schnellte von der Sehne, surrte durch schwüle Luft und zersplitterte an einer Wand, nachdem er sein Ziel um Millimeter verfehlte. So sehr sich die beiden Bogenschützen auch bemühten, der Flüchtende bewegte sich zu schnell und unberechenbar, um getroffen zu werden, doch die Ausweichmanöver verlangsamten seinen Lauf und die Wächter, die ihn jagten, schlossen stetig auf.

"Haltet ihn!" brüllte der Hauptmann hinter seinen Soldaten, die die weiße Gestalt zu verfolgen suchten. Seit beinahe einer Stunde waren sie ihm nun auf den Fersen, doch der Assassine schien nicht müde zu werden. Er kletterte über Leitern, schwang sich über Mauern, sprang von Dach zu Dach und sie hätten ihn mit Sicherheit längst verloren, wäre nicht die doppelte Anzahl an Bogenschützen postiert gewesen.

Hauptmann Johannes Greiz schnaufte verächtlich. Diesmal würden sie diesen Hund stoppen, ihn zur Strecke bringen und er würde es sein, der den Ungläubigen seiner Strafe zuführen würde. Robert de Sable hatte keinen Hehl daraus gemacht das jener, der den Mörder endlich fassen würde, eine große Belohnung erhalten würde und Greiz war bestrebt, dieser jemand zu sein.

Mit einem gewagten Sprung setzte der Hauptmann hinter dem Flüchtling her, überwand eine Häuserschlucht und setzte krachend auf dem Dach der Kirche auf. Er gönnte sich einen Moment des Einhalts, blickte suchend um sich und stellte zufrieden fest, dass seine Männer von allen Seiten über die Häuser herbeieilten, während der Assassine begonnen hatte, den Turm der Wehrkirche zu erklimmen. Ein kurzer Sprint brachte Greiz nahe an dessen Mauern heran, wo im selben Moment sein Truppenführer eintraf. Gemeinsam sahen sie nach oben und folgten mit ihrem Blick der immer höher kletternden Gestalt.

"Jetzt haben wir ihn, da kommt er niemals runter!" brummte der Hauptmann zufrieden. Immer mehr Soldaten sammelten sich um ihn und umstellten den Turm, vorsichtig bedacht darauf eventuell geworfenen Messern von oben auszuweichen. Greiz beschloss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. "Hilbert, Wormat und Kramer kommen mit mir!" rief er und begann seinerseits, den Kirchturm zu erklimmen. Drei seiner Männer taten es ihm sofort gleich, während der Assassine sich hoch über ihnen auf das Dach zog.

Es würde schwierig sein, nicht von ihm in die Tiefe gestürzt zu werden, doch Greiz wollte das Risiko eingehen, denn er war überzeugt, dass zumindest einer oder zwei von ihnen es schaffen würden, den Ungläubigen zu stellen, denn selbst wenn er die ersten vier Angreifer abwehren konnte, würden ihnen Unzählige folgen.

Ständig nach sicherem Stand suchend gelangte der Hauptmann immer höher, als Soldat Wormat unter Schmerzen aufschrie und seine blutigen Finger den Halt verloren. Aus Reaktion versuchte er, dass Messer, dass in seiner linken Hand steckte, mit der anderen aus der Wunde zu ziehen, unterschätzte jedoch die Schnelligkeit der Schwerkraft und fiel mit rudernden Armen ins Leere. Ein lautes Krachen drang an Greiz' Ohren, als sein Untergebener in einem Marktstand vor der Kirche zerschmetterte.

Über ihm tauchte eine Gestalt auf. Der Hauptmann konnte das Gesicht des Mannes nicht sehen, war sich aber sicher, dass die dunklen Augen unter dem Schatten der Kapuze erneut Maß für einen Wurf nahmen. Als ein Messer auf ihn niedersauste, schwang sich Greiz mit einer kraftvollen Bewegung zur Seite und wurde schneller. Jetzt oder nie galt es, den Assassinen aufzuhalten.

Gleichzeitig mit Kramer erreichte er die Spitze des Turmes und riss sein Schwert aus der Scheide, noch während er sich über die Zinnen des zog.

Der Mörder hockte, einige Meter von ihnen entfernt, am Ende des Holzbalkens, der zum Transport der Kirchenglocke dienen sollte. Seine Haltung ähnelte mehr der eines wartenden Vogels, denn jener eines fähigen Kämpfers. Greiz warf seinem Soldaten einen Seitenblick zu und sie begannen, langsam auf das Mauerende des Balkens zuzugehen.

"Nun, Ungläubiger, mir scheint deine Flucht ist hier zu Ende! Beweise, dass du kein Feigling bist und sterbe würdig im Kampf!" Der Assassine entgegnete nichts, schob sich jedoch einige Zentimeter weiter nach hinten. Greiz wusste, dass diese Attentäter keine Scheu hatten, ihr eigenes Leben zu beenden, wenn es nötig war, doch er wollte diesen Sohn einer Hure lebendig zu de Sable bringen. Der Templer würde gewiss Gefallen daran finden, den Tod des Mannes langsam und mit Genuß herbeizuführen.

"Selbst wenn du es schaffst, von diesem Turm zu entkommen, wirst du niemals lebend die Stadt verlassen, also ergib dich, Unwürdiger!" Greiz Stimme war zum Zerreissen gespannt und er hoffte, Kramer würde nichts Unüberlegtes tun. Beinahe flüsternd begann der Flüchtende zu sprechen: "Nun, Hauptmann, da gibt es ein Problem. Ich bin schon tot!" Mit einer schnellen Bewegung wandte der Assassine sich um, riss die Arme zur Seite und sprang.

"Verdammter Teufel!" fluchte Greiz und stürzte an den Rand des Turmes. Nur erschrockene Menschen, keinen einzigen seiner Männer konnte er erblicken, als seine Augen der flüchtenden Gestalt folgten.

Sein Herz schlug keinen Deut schneller, als Altair Ibn La-Ahad erneut durch die Straßen von Damaskus raste. Mit aboluter Klarheit untersuchte er die Umgebung, während er rannte. Diese verdammten Wächter würden bald wieder auf seiner Spur sein, es hatte keinen Sinn sich für einige Stunden in einem Karren oder Dachgarten zu verstecken, der Assassine musste ganz einfach von der Bildfläche verschwinden, bis sie die Jagd aufgaben. Nicht das Altair schon müde geworden wäre, er wusste jedoch, dass seine Kraft nicht ewig reichen konnte.

Mit einem blitzschnellen Hacken sprang er zur Seite und lief unvermindert weiter, als eine Wasserträgerin seinen Weg kreuzte. Von hier aus waren es nur noch wenige Straßen bis zum Büro des Verbindungsmannes, den Eingang konnte er jedoch nur über die Dächer erreichen, wo zweifellos zahlreiche Bogenschützen patroullierten.

Der Assassine drosselte die Geschwindigkeit und sah an den Wänden hoch. Hier im Armenviertel waren die Gebäude nicht sehr hoch, ein paar Sekunden waren es, bis er eines davon erklommen hatte und mit der Dunkelheit einer schattigen Ecke verschmolz. Jetzt erst spürte er seinen regelmäßigen, jedoch gesteigert Atem und den Schweiß, der von seinem Körper floss. Es war wohl zu mutig gewesen, sich in Robert de Sables Lager einzuschleichen, die Informationen, die Altair jedoch erlangen konnte, waren die anstrengende Flucht wert gewesen.

Der Templer plante etwas, er würde Damaskus verlassen und Süden reiten, wo er weit weg von seinen Truppen nur spärlich geschützt sein würde. Al Mualim musste Altair schicken, um ihn zu töten und diese Aussicht trieb den Assassinen an, sich weiter zu bewegen.

Vorsichtig, keinen Ton erzeugend, zog er ein Messer aus seinem Gürtel und schlich an die Wand gedrückt zur nächsten Ecke. Ein kurzer Blick bestätigte seinen Instinkt, gleich zwei Bogenschützen waren auf nahen Dächern postiert. Einen von ihnen auszuschalten, ohne das es der andere merkte, war unmöglich, denn sie hielten ständig Sichtkontakt. Anscheinend hatten de Sables Männer aus den letzten Angriffen des Assassinen gelernt.

Altair wandt sich um und erreichte mit schnellen Schritten die andere Seite seines Versteckes. Von hier aus konnte nur einer der Wächter ihn sehen, wenn er aus den Schatten trat, ein Umstand, der nicht für Erfolg garantierte, in der gegenwärtigen Situation aber reichen musste. Kraft floss in seine Muskeln zurück, als sich sein Blick in die Realität änderte. Während die Zeit um ihn stillstand, schoss Altair aus den Schatten, flog über den Abgrund zwischen den Dächern und hielt auf sein Ziel zu.

Zu langsam kamen die Worte aus dem Mund jenes Wächters, der ihn sehen konnte. Bis sie durch die Schwaden der stickigen Luft das Ohr seines Kollegen erreichten, war Altair schon über diesen gekommen. Mit dem Schwung des Sprungs riss er den Mann von den Füßen, erhob seinen linken Arm hinter seinen Rücken und stieß mit Kraft zu. Ein Dolch fuhr aus der Robe und traf das Genick des Soldatens, das mit einem Knacken, dem von trockenen Ästen gleich, unter der Wucht zerbrach.

Ein von Schrecken fehlgeleiteter Pfeil zischte am Kopf des Assassinen vorbei, als der zweite Bogenschütze aus der Starre erwachte. Mit flüssigen Bewegungen richtete Altair sich auf, zog ein Messer und stieß es durch die Luft, wo es an Geschwindigkeit zuzunehmen schien und sich mit ungeheuerlicher Präzission genau in die Kehle des Wächters rammte. Noch bevor er zu Boden ging, sprang Altair über ihn hinweg und setzte seinen Weg fort.

Das aufgeregte Flügelschlagen eines Schwarm Taubens begleitete Altairs Ankunft auf dem Boden des Assassinenbüros. Geschmeidig löste er sich aus seiner hockenden Haltung und ging auf die Tür zum Laden zu. Jetzt, da er in Sicherheit war, musste er tun, was er lieber vermieden hätte. Rafiq war nicht gerade jener Assassine, den Altair gerne um Hilfe bat, aber er war ein Mitglied des Ordens. Ihr persönlicher Hass zueinander unterlag somit den Gesetzen der Bruderschaft und wurde nur in hitzigen Diskussionen ausgetragen, von denen Rafiq den Großteil bestritt. Altair zog es vor, wenig, dafür aber Vernichtendes zu sagen.

Der Verbindungsmann lehnte an seiner Theke und betrachtete einen funkelnden Stein. Er hatte das Eintreten des Meisterassassinen natürlich bemerkt, war jedoch vorerst nicht gewillt, darauf zu reagieren. Einige kleine Diamanten wechselten noch in seiner Hand, bevor er aufgab und seinen Gegner den ersten Punkt in ihrem Spiel erringen ließ.

"Altair! Ich habe euch nicht erwartet!...Oh, ja, natürlich, Friede sei mit euch, Bruder! Nur dass es nicht nach Frieden bei euch aussieht, wie ich hörte!" Zufrieden stellte Rafiq fest, das sein Gegenüber sich still ärgerte, er konnte es trotz der unbewegten Mine fühlen. Altair war immer schon stolz gewesen und er wusste das sehr wohl zu nutzen. "Eins zu eins!" dachte er sich freudig.

Der Kämpfer kochte innerlich. Wie hatte der Verbindungsmann so schnell von der Flucht erfahren können? Nun gut, sie hatte eine Zeit gedauert, trotzdem hatte Altair gehofft, dass Rafiq die Details nicht kannte.

"Sei gegrüßt! Hohes Risiko hat große Folgen und ich scheue Probleme nicht. Allerdings scheint es, de Sable hat sein Kopfgeld auf mich erhöht. Diese Wächter sind wie lästige Fliegen, erst kleben sie in stinkender Jauche und dann versuchen sie sich, an mir festzusetzten!" Mit Bedacht achtete Altair darauf, möglichst lässig zu klingen, während er an Rafiq herantrat, der fortfuhr seine Arbeit zu tun.

"Andere mögen euch verrückt nennen, aber ich weiß was ihr treibt!" Der Verbindungsmann nahm die Herausforderung an und wirkte ebenso kühl. "Es ergötzt euch, dass sie euch jagen. Ihr freut euch über jeden kleinen Cent, den der verdammte Templer für eure Verfolgung ausgeben muss! Alles in allem, Altair, seid ihr nur süchtig danach, berühmt zu sein...also, was wollt ihr von mir?"

Rafiq sah auf und studierte die Züge des jungen Assassinen. Jeder kannte die Geschichte dieses Meisterkämpfers und von Anfang an hatten die Meisten seinen Weg nach Oben mit Argwohn betrachtet. Al Mualim hatte nahezu eine Obsession für diesen Mann entwickelt und er ließ ihm Freiheiten, für die ein anderer hart bestraft werden würde. Keinem gefiel das, auch wenn jeder zusagen vermochte, dass Altair großen Respekt verdiente. Er war Masayfs schärfstes Schwert und gleichzeitig der Mann, den die Hälfte der Bruderschaft hasste. "Und von Tag zu Tag werden es mehr...!" ging es Rafiq durch den Kopf.

Altair hatte eine bequeme Haltung eingenommen, dennoch drückte er mit jeder Geste volle Kampfbereitschaft aus. "Ihr seid nicht befugt, über mich zu richten, dies gebührt alleine unserem ehrwürdigen Meister. Sein Wille ist es, dass ihr mir Schutz gewährt, also zeigt mir, wo ich die Nacht verbingen kann!"

Rafiq knurrte verdrießlich, der Assassine hatte das letztlich Erfolg bringende Argument vorgebracht. Al Mualim hatte tatsächlich alle Verbindungsmänner angewiesen, Altair bei seinen Aufträgen in vollem Umfang zu unterstützen. Wiederwillig gab Rafiq nach. "Scher dich nach drüben und suche die Ruhe, die du brauchst um bald wieder von hier zu verschwinden!"

Robert de Sable war völlig ruhig. Der Templer hatte Hauptmann Greiz in Erwartung der Botschaft eines Erfolges empfangen und dafür einen durchaus würdigen Ort gewählt. Tief in den Kellern des Palastes stand er in einem hohen Raum, der mit allerlei Gerätschaften gefüllt war, und erfreute sich an dem Stöhnen eines Gefangenen, als er die Daumenschrauben fester zog.

"Was wollt ihr damit sagen, er ist verschwunden? Er kann unmöglich die Stadt verlassen haben, es sei denn, ihr habt meine Befehle missachtet!" Johannes Greiz war nervös, sein Herr war bekannt für seine unbändige Lust an Bestrafungen und der Kerker schien nicht der geeignete Ort um Ziel seines Verlangens zu sein. "Nein, Herr, die Posten an den Toren kontrollieren jede Person, wer sich nicht ausweisen kann oder niemanden hat, der für ihn bürgt, wird umgehend verhaftet. Dieser Hund muss noch in Damaskus sein! Aber er versteckt sich!"

"Das wundert mich nicht, die Assassinen waren immer schon ein Haufen von Feiglingen. Ich hätte ihm das Genick brechen sollen, als ich die Möglichkeit dazu hatte...!" In Erinnerung an die vergessene Chance ließ der Templer sein Opfer erneut leiden und trat dann an den Hauptmann heran. "Also, Greiz, was glaubt ihr werde ich euch jetzt befehlen?" Die grünen Augen de Sables waren zu Schlitzen geworden und spießten den Blick des Soldaten auf. "N..n..nach ihm in jeder Ecke dieser Stadt zu suchen?" Ein Schlag traf sein Gesicht und er hob abwesend die Hand zur Wange, während sein Meister fortfuhr, den Bauern zu foltern. "Ihr werdet jeden Keller, jedes Dach, jeden Schuppen und wenns notwendig ist alle verdammten Truhen, Kästen und Wägen durchsuchen! Ihr werdet überall nachsehen, in jedem Haus, und ihr werdet euch Zugang verschaffen. Stellt sich euch jemand in den Weg, verhaftet ihn. Und kommt nicht wieder, es sei denn, ihr führt diesen Teufel mit euch!"

Es war eine grausame Nacht für Damaskus gewesen. De Sables Männer waren in so gut wie jedes Gebäude eingedrungen, hatten viele Fragen gestellt und bei Zweifeln betreffende Orte niederbrennen lassen. Auch im Büro des Verbindungsmannes hatten sie nach Altair gesucht, konnten jedoch keine Spur von ihnm entdecken. Als die Wächter Rafiqs Haus wieder verlassen hatten, schob der Assassine einen Teppich zur Seite und griff nach einem Ring, der an einer Steinplatte befestigt war. Mit einem Ruck öffnete er die Luke und sah zu, wie Altair nach oben kletterte.

"Al Mualim wird nicht begeistert sein, dass ihr solches Aufsehen erregt. Damaskus bot ein friedliches Leben, bevor ihr hier aufgetaucht seid!" Ärgerlich schob Rafiq die Verdeckung wieder in Position, während Altair sich bequem niederließ.

"Wenn er hört, was ich zu sagen habe, wird er es billigen!" antwortete er knapp. Der Verbindungsmann bemühte sich, seine Wut zu kontrollieren und ließ nur einen Teil davon entweichen. "Für eure Arroganz würde ich euch am liebsten ein Messer in die Rippen stoßen! Habt ihr daran gedacht, dass ihr ein Gebot brechen könntet? Ihr habt mich gefährdet und was ihr tatet war alles andere als unauffällig! Ich werde nie verstehen, was der Meister an euch findet!" Kalter Hass wogte zwischen ihnen, doch Altair wusste sehr wohl, wann er eine Provokation überhören musste. "Schweigt und sprecht nicht von Dingen, die euch nichts angehen. Lasst uns lieber überlegen, wie ich nach Maysaf komme!"

Rafiq besann sich seinem Versprechen an den Orden und sprach tatsächlich nicht mehr, während sich in seinem Gehirn Fantasien über einen möglichst schmerzhaften Tod seines Gegners regten.

Vor dem nördlichen Tor der Stadt herrschte rege Betriebsamkeit,dennoch erlaubten die verstärkten Kontrollen kein schnelles Weiterkommen. Wie jeden Morgen bot der Platz davor ein regelrechtes Chaos aus Kaufleuten, Bauern, Bürger und Bettlern, die in nach Damaskus strömten, jedoch hatten die scharfen Kontrollen einen zusätzlichen Aspekt an Unordnung hinzugefügt. Niemand, der keine Bestätigung über seine Person erbringen konnte, verließ oder betrat die Stadt, was beträchtlichen Unmut bei den meisten Menschen hinterließ. In Damaskus war man es gewohnt, von Wächtern schikaniert zu werden, nicht aber, dass man nun einen weiteren Einschnitt in die persönliche Freiheit der Bevölkerung vornahm. So bildeten sich allerorts Gruppen von Bürgern, die sich lauthals über die Umstände unterhielten und Bewegung beinahe unmöglich machten.

Die Soldaten ließen sich nicht von der feindlich gesonnenen Stimmung abbringen und kontrollierten weiterhin unentwegt jeden, der sie passierte. Einer von ihnen nahm seinen Helm ab und wischte sich über die Stirn, als ein schäbiger Wagen rumpelnd aus einer Seitenstraße schoss und direkt auf das Tor zuhielt. Schnell trat der Wächter erneut in Position, hob einen Arm und winkte dem mitgenommen wirkenden Bauern auf dem verhüllten Wagen, stehen zu bleiben.

"Aus dem Weg, Mann, ich habe es eilig!" rief dieser gehetzt. "Auf Befehl Robert de Sables bin ich angehalten, euch und eure Fracht zu überprüfen!" antwortete der Bewaffnete und legte eine Hand auf die Zügel. Dieser Bauer mochte gewöhnlich aussehen, aber er war nervös genug, um preiszugeben, dass er etwas verbarg. Mit einem Wink wurden weitere Wächter hinzugerufen und begannen, den Wagen zu umkreisen.

Der Kopf des Kutschers war hochrot geworden und er rang nach Luft. "Verdammt, versteht ihr nicht, ich bin kein Gegner eures Herren! Ich bin ein einfacher Bauer! Hintern im Wagen liegt meine Frau in den Wehen! Wir wollten gerade unseren Stand aufbauen, als die Schmerzen einsezten! Ich muss sie schnellstens nach Hause bringen!" Der Wächter hob zweifelnd eine Augenbraue hoch. Sicher, die Geburt eines Kindes war aufregend, aber die Stimme des Fremden hatte sich beinahe überschlagen, als wäre er in Todesangst. Langsam bewegte sich der Kommandeur auf die Rückseite des Wagens zu und zog mit einem Ruck die löchrige Plane nach oben.

Über Kisten voller Gemüse war Stroh ausgebreitet und eine Decke geworfen worden. Auf ihr lag eine Frau in einfachen Leinenkleidern, den Rücken gegen die Wand der Kutsche gedrückt, die Beine gespreizt, die Augen von Schrecken geweitet, als sie den Soldaten erblickte. Für einen Moment erstarrte sie und eine Spur aus Angst kroch über ihr schmutziges Gesicht. Dann krümmte sie sich zusammen und stöhnte laut. "Ahhhhhhhhhh.........es kommt bald! Hosiriel! Wir müssen den Hof erreichen!" Ihr Gemahl antwortete sofort. "Ich weiß, mein Liebes, halte durch! Sehr ihr nicht, dass es ihr schlecht geht? Lasst uns gehen!" Ein weiteres Mal schrie die Frau auf und der Wächter wich ob der Kraft ihres Ausbruchs einige Schritte zurück. Unter leisem Gelächter seiner Kollegen ließ er die Verdeckung fallen, beeilte sich wieder an den Kutschbock zu treten und rief dem Bauern zu: "In Ordnung, Mann, ihr könnt passieren!"

Erst weit entfernt von Damaskus' Mauern wagte Hosiriel es, das klapprige alte Pferd in eine Felsnische am Wegesrand zu leiten, wo er die Kutsche anhielt. Seit sie das Tor durchschritten hatten, war kein Laut mehr aus dem Wagen gedrungen und der Bauer hoffte inständigst, dass ihr Entführer Wort gehalten hatte. Mit einer durchdringenden Stimme hatte der Mann sie aufgefordert, gemeinsam mit ihm die Stadt zu verlassen und angesichts der Waffen, die er trug, hatte Hosiriel es für besser gehalten einzuwilligen. Erst als der Fremde zu seiner Frau in den Wagen steigen wollte, erhob er leise Einspruch. So sehr er sich auch bemühte, es fiel ihm schwer, dem Versprechen des Fremden zu glauben und er schloss die Augen, als er die Plane des Wagens öffnete, um nicht mit dem ersten Blick ihre Leiche zu sehen.

"Was machst du da, Liebling? Sind wir außer Gefahr?" Ihre Stimme drang in seine Seele und ließ sie leuchten. Sie war am Leben, sie atmete sie sprach! Der Bauer stellte fest, dass seiner Gemahlin kein Haar gekrümmt war, stattdessen hatte sie wieder ihren herrischen Ton angenommen, den er so oft verfluchte und der ihm jetzt wie der Gesang eines Vogels vorkam. "Ja, wir haben Damaskus verlassen. Wo ist er?" Hosiriel kletterte in den Wagen und hob die Decke, um zu sehen, ob der Assassine noch in seinem Versteck lauerte, fand es jedoch leer vor. "Er hat gleich nach den Stadtmauern den Wagen verlassen und mir das hier gegeben! Hosiriel," die Augen der Frau glänzten, als sie ihm mit zitternden Händen die Geldstücke vor Augen hielt, "dass ist genug um mehr Tiere zu kaufen und einen Knecht einzustellen! Unser Kind...es wird in Wohlstand geboren, es muss nie Hunger leiden!" Ungläubig griff der Bauer nach ihren Händen, berührte den Schatz und sah unverwandt zum Himmel. "Allah schütze diesen Mann!" sprach Hosiriel ergriffen.

In der Nähe des Tores dösten einige Pferde bei einem Heuhaufen. Die meisten von ihnen waren klobig und groß, blickten glotzend aus rundlichen Augen unter halb gesenkten Lidern ins Nichts, eines von ihnen jedoch, ein kleiner, schwarzer Hengst, stand etwas abseits. Seit Tagen schon hatte er diesen Ort nicht verlassen und schien ständig auf etwas zu warten, was Hatice an seinen gespitzten Ohren erkannte.

Das Mädchen liebte Pferde über alles und begleitete ihren Vater so oft es ging zur Außenseite der Stadtmauern, um bei ihnen zu sein. Das sonderbare Tier hatte es ihr angetan, sie wagte es jedoch nicht, sich ihm zu nähern. Bereits mehrmals hatte Hatice beobachtet, wie Leute dies taten und wie sie mit Wunden an den Armen und Flüchen auf den Lippen zurückkehrten. Dieser Hengst mit der sonderbaren Mähne ließ sich nicht von jedem berühren. Er schien einem einzigen Herr zu gehorchen und das Mädchen war gespannt darauf, diesen kennen zu lernen.

So harrte sie beinahe den ganzen Nachmittag in der Nähe des Pferdes aus und war bitter enttäuscht, als ihr Vater sie wissen ließ, dass sie bald nach Hause zurückkehren würden. Die Dämmerung zog langsam herein und die Sonne schickte ihre letzten Strahlen über die Türme der Stadt.

Gerade als Hatice ihren Aussichtspunkt, ein Gatter, verlassen wollte, änderte sich die Haltung des Tieres. Sein Kopf schoss plötzlich kerzengerade in die Höhe und die nervös gespannten Ohren begannen zu rotieren. Das Mädchen verharrte in seiner Bewegung und horchte angestrengt. Neben den üblichen Geräuschen dieses Ortes, die sie seit Geburt an kannte, wurde sie am Rande ihrer Wahrnehmung einem leisen Klicken gewahr, dass allmählich das Muster änderte.

Der Hengst schien das Geräusch nun lokalisiert zu haben, richtete seine Ohren nach vorne und schritt gemächlich zu einem Busch. Einige Sekunden geschah gar nichts und das Mädchen entschied, dass es einfach zu sonderbar war, dem Gebaren eines verrückten Pferdes zuzusehen. Dann tauchte ein Mönch wie aus dem Nichts im Sattel des Hengstes auf und klopfte dem Tier den Hals.

Hatice verfiel in Panik. Jemand der sich so bewegte, wollte gewiss nicht von einem kleinem Mädchen gesehen werden. Gerne wäre sie hastig weggelaufen, aber die Gestalt zog ihren Blick magisch an.

Eine weiße Robe vollständig um den Körper des Mannes gehüllt, eine Kapuze bedeckte sein Gesicht, dass sich langsam in ihre Richtung drehte. Hatice fuhr es eiskalt über den Rücken, als der Fremde seinen Zeigefinger an die Stelle hob, an der sich sein Mund befinden musste, das Pferd wandte und von dannen ritt.

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*wers nicht kennt, is aus dem Originaltrailer von Ubisoft

** arabisch für: der Starke, der Krieger