5. Erwachen

5. Erwachen

Schwärze senkte sich um Altair und zog sein Bewusstsein in unergründliche Tiefen. Hinter der Schwelle des Todes hatte er immer eine weite, leere Landschaft erwartet, in der es nichts als Einsamkeit und Friede gab, umsomehr verwunderte es ihn, dass sich Bilder seines Lebens regten. Er beobachtete sich selbst, wie er in einer halsbrecherischen Flucht mit Malik Akkon verließ, sah die Verwirrung und Angst in den Augen des kleinen Jungen, der er gewesen war. Eine brennende Feder flog vorbei und versperrte ihm die Sicht, ärgerlich wischte er sie fort.

Die Umgebung hatte sich verändert, um ihn wehte jetzt der kalte Wind Maysafs und die Sterne lagen hell leuchtend über ihm. Al Mualim wandte sich von den Zinnen des Turmes ab und bat ihn mit glänzenden Augen, Novize des Ordens zu werden. Altair versuchte die Worte von den Lippen seines vergangenen Selbst zu lesen, konnte sich jedoch nicht mehr erinnern, wie sie gelautet hatten.

Diese Visionen wirkten falsch, völlig verdreht, anders als er sie im Gedächtnis behalten hatte. Er begann sich dagegen zu sträuben das alles, was er längst abgeschlossen glaubte, nun über ihn hereinbrach, doch die Bilder nahmen kein Ende.

Das Gesicht einer alten Frau tauchte vor ihm auf, es veränderte sich sogleich und wurde zu den lieblichen Zügen eines Mädchens. Altair griff nach ihr und suchte sie zu halten, doch sie wandte sich um und stürzte sich in eine gähnende Tiefe. Er wusste, dass es nicht ihr Name war, trotzdem schrie er "Allada!" in den Abgrund.

Ein rauschendes Geräusch bewog ihn seinen Blick zu heben und weit über dem Antlitz der Erde rasten Mond und Sonne stetig abwechselnd über den Horizont dahin. Der Assassine riss die Hände an seine Ohren, um das tosende Wogen der Klänge zu ertragen, die ihn von allen Seiten her einschlossen. Die Welt um ihn begann sich zu drehen und ein Schmerz erwachte hinter seiner Stirn, der stetig anschwoll, bis er glaubte, sein Kopf müsse explodieren.

Dann plötzlich Stille. Ein leuchtender Punkt umgeben von Schwärze dehnte sich langsam aus und helles Licht fiel auf seine geblendeten Augen, brachte Wärme mit sich. Hände griffen seine Schultern, zogen ihn hoch, bis er Antlitz in Antlitz mit der Gestalt eines Mönches stand. Altair versuchte zu sprechen, als er den Mann erkannte, konnte seine Lippen jedoch nicht bewegen. Er versuchte die Hände nach oben zu bringen und nach dem Mann zu schlagen, den er zutiefst verachtete, aber er war verdammt dazu, der Gestalt still zuzuhören und die Worte drangen tief in seine Seele, wo sie alle Barrikaden sprengten, die er dort errichtet hatte.

"Erfolg ist nicht immer eine Frage der Disziplin, sondern der Umstände. Erinnere dich, mein Sohn!"

Sanfte Luftstöße strichen durch seine Flügel, als Altair schwebend über grauen Sand glitt. Eine Ewigkeit schon schien er in diesem Zustand zu verharren und er fragte sich, ob es jemals einen Anfang und ein Ende der Dinge gegeben hatte. Hier, wo Zeit bedeutungslos war, boten sich nicht die Möglichkeiten, sich an linear gerichteten Strukturen zu orientieren. Die Landschaft unter ihm war völlig flach und nur ein einziger heller Stern leuchtete am Himmel, jedoch hell genug, um seinen Schatten an den Boden zu werfen. Er schloss die Augen, spürte die Veränderung der Realität und öffnete seiner Lider erneut.

Kerzenlicht fiel von steinernen Mauern wieder und tauchte sein Lager in einen hellen Kreis. Wieder aller Regeln seiner Vorstellungskraft fand Altair im Krankenzimmer Maysafs in seinen Körper zurück. Er bot sich ihm als eine Hülle brennender Schmerzen dar und der Assassine schoss augenblicklich keuchend in die Höhe. Neben ihm sprang ein Mann zurück und ließ einen silbernen Teller mit allerlei Geräten fallen.

Schock durchflutete Samut, als sein Pflegling so unvermittelt zum Leben erwachte. Schon seit Wochen harrte er bei dem leblosen Altair und suchte zu helfen, wo er konnte. Der Meister hatte gesagt, dass der Assassine nur schlafen würde, Samut jedoch schien dieser Zustand mehr wie der Traum eines Toten. Des Nachts, wenn die Flure der Burg still und die leisen, kaum vorhandenen Atemzüge Altairs das einzige Geräusch gewesen waren, hatte ihn das seltsame Gefühl beschlichen, das der Kämpfer irgendwie schwebte, wenn die Kerzen an den Wänden ohne Lufthauch zu flackern begannen. Dann hatte Samut das Zimmer verlassen und die Tür verschlossen, Allah allein mochte wissen, was da vor sich ging.

Langsam erholte er sich von dem Schrecken und trat an das Bett, auf dem Altair soeben wieder zusammengesunken war. Seine Augen jedoch waren weit geöffnet, der Blick starr nach oben gerichtet. Vorsichtig schob Samut seine linke Hand in das Sichtfeld des Assassinen. "Siehst du das? Wie viele Finger habe ich?"

Einige Sekunden verstrichen, bevor Altairs Blick sich klärte. Ein tiefer Atemzug füllte seine Lungen und die Kehle rebellierte beim Versuch zu sprechen, dennoch konnte er einige wenige Silben krächzend hervorstoßen. "Vier-ein-halb!"

Samut wurde von schallendem Gelächter befallen. Ja, dieser Teufel war wahrlich wieder bei Bewusstsein und sogar noch fähig Scherze zu reißen! Bei Samuts Initation waren einige Dinge nicht gelaufen wie geplant und so fehlte ihm nur ein Teil seines Ringfingers. "Verdammt, Bruder, die Nummer musst du mir beibringen, einfach so von den Toten wieder auferstehen!" prustete er schließlich und beeilte sich, einen Krug herbeizuschaffen. Mit starken Händen packte er Altairs Kleidung und zog ihn in eine aufrechte Haltung. Die lange unbewegten Muskeln versagten ihren Dienst und das Kinn des Assassinen fiel auf seine Brust, er war im Begriff wieder wegzugleiten. Schnell legte Samut seine Hand auf Altairs Stirn und zog seinen Kopf zurück. "Nein, nicht wieder einschlafen, bleib wach....hier, trink, dein Körper braucht das!"

Bitter wie Galle schmeckte die Medizin, aber seine ausgetrocknete Kehle genoß dennoch die Berührung der zähen Flüssigkeit. "Wo..bin..ich?" konnte Altair schließlich hervorstoßen. Der Klang seiner eigenen Stimme erschreckte ihn, dennoch war er bestrebt zu erfahren, was vor sich ging. Samut trat zurück und machte sich an dem Verband zu schaffen, der die Brust des Assassinen umhüllte. "In Maysaf, wo sonst? Denkst du du wärst im Schlaf davongeflogen?" "Ich dachte nicht das ich schlafe. Und wenn das hier nicht das Paradies ist, dann habe ich mich wohl gründlich getäuscht!" Der Verband war entfernt, vorsichtig untersuchte Samut die verkrustete Wunde. "Sieht ganz gut aus. Nun Bruder, wenn du mich fragst, kannst du praktisch gar nicht mehr leben! Al Mualim allein mag wissen, was passiert ist...er gab mir den Auftrag eure Wunden zu heilen!"

Mehr konnte Altair auch während der nächsten Tage, die er ständig im Halbschlaf verbrachte, nicht erfahren. Samut ließ ihm keine Ruhe, er bestand darauf, dass er sich wenigsten ein bischen bewegte. "Die Gifte des Todes kreisen in dir!" pflegte er zu sagen und seiner Ansicht nach musste der Assassine dringend wieder auf die Beine kommen, wenn er nicht nachträglich qualvoll daran verrecken wollte. Altair mühte sich redlich, und nach wenigen Wochen gelang es ihm, mit Hilfe zweier Krüken zwischen den Wänden des Zimmers auf und ab zu gehen, auch wenn ihn dies jedesmal maßlos erschöpfte.

An diesen Zustand gefesselt blieb ihm nichts als seine Gedanken ziehen zu lassen und aus den wenigen Informationen, die er besaß, ein Bild zu formen. Der Dolch des Meisters hätte ihn töten müssen, doch kurze Zeit nach seiner Exekution jedoch ließ Al Mualim Samut, der inzwischen ein Heiler des Ordens geworden war, rufen, befahl ihm, Altair zu pflegen.

Sein ehemaliger Mitschüler hatte getan was er konnte, um Wundbrand zu verhindern, vernähte alle Stellen die es nötig hatten und versank dann in stillen Gebeten. Was Altair letztendlich ins Leben zurückgeführt hatte, vermochte er nicht zu sagen. Der Verletzte selbst konnte sich nur noch an wirre Visionen erinnern, an das Gefühl des Fliegens und den unbestimmten Drang, aufzusteigen.

Einige Zeit später erhielt Altair überraschenden Besuch. Korkut Umat war an sein Lager getreten, er hatte mit Besorgnis die Genesung des Assassinen verfolgt. Immer schon hatte der Meisterreiter gefühlt, dass in dem ungestümen Jungen, der Altair früher gewesen war, etwas seltsam Heiliges ruhte. Lange genug war er schon auf dieser Welt gewandelt um zu wissen, dass er manchen seiner Emotionen bedingungslosen Glauben schenken musste und diese eine, dass Altair einst ihre Rettung sein würde, drang ungewöhnlich stark in seinen Geist.

Maysaf war der einzig sichere Ort. an dem er sich aufhalten konnte, und Grauen erfasste ihn, wenn er über eine Belagerung des Reiches nachdachte. Sicher, im Moment war de Sable damit beschäftigt, im Dienste König Richards die Sarazenen aufzuhalten, die unter Salad al Dhin bestätig nach Jerusalem zogen, doch sobald es seine Aufmerksamkei erlauben würde, würde er sich wieder dem Bestreben zuwenden, Al Mualim zu stürzen. Korkut fand es rätselhaft, dass der Templer eine derart große Bedrohung in ihnen sah, wo doch vor seinen Toren ein weitaus gefährlicherer Gegner wartete. Er ahnte nicht, dass Robert de Sable und den Meister mehr verband als einfache Feindschaft.

Altair war auf den Beinen, als Korkut das Zimmer betrat und übte sich in starkem Eindruck, als er ihn begrüßte. "Korkut Umat! Ihr seid wahrlich der Letzte, mit dem ich hier gerechnet habe! Was hat euch dazu bewogen, eure Pferde zu verlassen?" "Nun mein Bruder, wenn sich in meiner Umgebung ein Wunder ereignet, pflege ich es mir anzusehen! Unglaublich das ihr bereits wieder wohlauf seid!" "Davon kann keine Rede sein!" ächzend ließ sich der Assassine auf einem Stuhl nieder. "Aber im Moment muss ich mich wohl mit jedem Fortschritt zufrieden geben, den ich mache!"

Irgendwie schien Altair verändert, aber Korkut konnte nicht genau bestimmen woran es lag. Dieser Mann hatte ihn schon oft verblüfft und er war es gewöhnt, über die vielfältigen Wandlungen seines ehemaligen Schülers zu staunen. "Ich für meinen Teil wäre froh, wenn ihr bald wieder die Burg verlassen könntet. Shaitan bereitet mir immer noch gewisse....Probleme!" Beim Namen seines Hengstes sah Altair erfreut auf. "Ihr habt ihn in eure Obhut genommen? Geht es ihm gut? Ich fürchtete, er wäre bei dem Angriff verletzt oder gar entführt worden!" "Dieses Pferd? Ihr beliebt zu scherzen! Ich denke der einzige, der ihn töten kann, ist der Allmächtige selbst! Aber er ist unruhig, frisst nur kärglich. Wüsste ich nicht, dass er ein abgrundtief böser Teufel ist, würde ich behaupten, dass er euch vermisst!"

Kühles Wasser sprudelte aus einem Krug in zwei Becher und Altair bedeutete Korkut, sich zu setzen. Seit er wieder erwacht war, quälten ihn längst abgetane Fragen und er hoffte Antwort zu finden, wenn er nur an der richtigen Stelle suchte. Zögerlich begann der Assassine zu sprechen. "Korkut, es gibt da etwas, dass ich von euch erfahren möchte! Ihr seid schon lange hier in Maysaf und ich weiß, dass ihr meinen Vater gekannt habt!" Der Reitlehrer veränderte seine Haltung und stützte das Kinn auf eine Hand. Gespannt erwartete er, was nun kommen würde, schließlich war es ein völlig neuer Aspekt in Altairs Verhalten, dass er seinen Vater nicht einfach nur beim Namen nannte.

"Nun ja, gekannt hat Cihan wohl niemand außer eure Mutter und Al Mualim, aber unsere Wege pflegten sich zu kreuzen, wenn ihr das meint!" "Ja, davon spreche ich. Könnt ihr mir sagen wie es dazu kam, dass er und der Meister eine Freundschaft entwickelten? Er muss anfangs für Al Mualim doch nicht mehr gewesen sein, als einer unter vielen!" Korkut nahm einen tiefen Schluck und überlegte kurz. "Nein, so kann man das nicht sagen. Euer Vater war zwar mit Sicherheit niemals so berüchtigt, wie ihr es bereits jetzt seid, aber doch konnte bald nachdem er die Ausbildung begonnen hatte jeder erkennen, was für ein großartiger Kämpfer er war. Es geschieht nicht oft, dass der Meister einen Novizen persönlich unterrichtet, genau genommen kenne ich nur zwei, auf die das zutrifft!" Er warf Altair einen Blick aus den Augenwinkeln zu, um seine Reaktion zu erfahren, fand ihn jedoch mit unbewegten Gesicht ins Leere starrend.

"Al Mualim war also sein Lehrer, gut. Ihr werdet verstehen, dass ich darin nicht gerade etwas Besonderes erkenne, wohl aber in dem Umstand, dass der Meister meinen Vater nie derart verurteilte wie mich, obwohl ich hörte, dass einige seiner Taten weit schwerwiegender waren als die meinen! Was war es also, dass die beiden so eng verband?" "Altair, wir sprechen hier von völlig anderen Zeiten, als die unseren heute es sind! Als Cihans Aufstieg in der Bruderschaft begann, war Al Mualim noch nicht lange unser Meister. Sein Vorgänger ist friedlich und ehrenvoll gestorben und viele der alten Lehren unseres Ordens mit ihm. Wisst ihr, früher, vor unserer Zeit gründeten unsere Urväter die Bruderschaft, um das Wort und den Willen Allahs zu verbreiten und das heilige Land in Wohlstand zu führen. Sie alle waren Gläubige, Mönche beinah, doch sie verstanden es, rücksichtslos zu kämpfen, wenn es nötig war. Al Mualim folgte eine neuen Weisheit: Er verbreitete die Lehre, dass kein Gott das Wirken der Menschen bestimme, sondern sie selbst, und interpretierte so unser Credo völlig neu."

"Eine politische Wendung zum Frieden und weg von der Religion. Mir dünkt das kein schlechtes Ansinnen, werden doch aus tiefem Glauben die größten Kriege geführt!"

Krokut erinnerte sich daran, dass die Atmosphäre, in der sich Wegrichtung der Assassinen damals geändert hatte, alles andere als friedlich gewesen war. "Nun ja, es war nicht ganz einfach für den Meister, die alten Werte in jenen, meist noch sehr jungen Brüdern zu verankern, die ihm folgten. Es gibt seither vieles, dass sich ein wenig geändert hat. Ich möchte nicht behaupten, dass die Assassinen ihren Glauben verloren haben, aber wir beide wissen, dass es heute niemand mehr so genau damit nimmt! Hätte vor Al Mualims Zeiten ein Bruder Alkohol, die Pfeife oder ein unehrenhaftes Weib gekostet, hätte man ihm die Zunge, den Mund oder ganz andere Teile entfernt!" Jetzt war der Meisterreiter so richtig in Fahrt gekommen. "Der Meister brauchte ein Vorbild, um auch die älteren Brüder für seine Lehre zu gewinnen und er fand es in Cihan. Dieser saugte Al Mualims Worte förmlich auf, was ihn in Verbindung mit seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten bald zu der Ikone der neuen Assassinen machte. Gemeinsam haben sie den Orden neu aufgebaut, um das Ziel zu erreichen, dass schon seit Anbeginn ihrer Zeit der Bruderschaft zugrunde lag: Frieden für das Heilige Land!"

Altair legte die Stirn in den Nacken und dachte nach. Die Eindrücke, die aus Korkuts Worten auf ihn einschossen, warne zu vielfältig, als dass er wirklich ein Bild aus ihnen formen hätte können. Er beschloss, bald wieder in Bewegung zu kommen und den Geist zu lüften. "Warum hat mir niemand bisher davon erzählt?" fragte er leise. "Nun ja, mein Bruder, ihr habt nie gefragt, mehr noch, ihr habt jedem Prügel angedroht, der Cihan in eurer Nähe erwähnte! Ihr ward nicht gerade ein guter Zuhörer!" fügte Korkut in Gedanken hinzu. Ja, Altair hatte sich verändert, ob zum Guten oder zum Schlechten blieb noch abzuwarten. Der Meisterreiter fuhr fort.

"Als eure Mutter ins Spiel kam, gab es mächtigen Streit zwischen den beiden. Al Mualim verlangte von Cihan, weiter mit ihm für ihre gemeinsame Sache zu kämpfen und sich nicht weltlichen Genüssen hinzugeben, aber dein Vater kannte den Alten zu gut. Er warf ihm vor, dass er seine eigenen Gesetze hinterfrage, wenn er nun versuchte, ihn mit Glaubensgrundsätzen an den Orden zu binden. Er stellte den Meister vor die Wahl, Leiala und ihre Verbindung zu segnen, oder Cihan würde den Orden verlassen, was zu diesem Zeitpunkt eine Katastrophe gewesen wäre. Damals begann es sich abzuzeichnen, dass die Kreuzfahrer in den Orient ziehen würden und niemand wusste, wohin das alles führen würde. Also gab Al Mualim nach und versöhnte sich mit eurem Vater."

Altair scheute, noch tiefer in die Vergangenheit zu dringen, doch die Splitter in seinem Kopf, die nicht zusammenpassen wollten, trieben ihn dazu weiter zu fragen. "Und dann kam ich...." "Und eure Schwester, ja." Korkut bemerkte, dass der Assassine bei der Erwähnung des Mädchens schmerzlich zusammenzuckte.

Tief in Altairs Herz gab es einen scharfen Stich, er schloss unvermittelt die Augen und sah sie vor sich. Allada.....so lange waren sie schon getrennt, durch seine Schuld voneinander gerissen. Erschrocken weiteten sich seine Pupillen. Diese Gedanken, sie waren ihm neu! Nie hatte er nach seinem Anteil an ihrem Schicksal gefragt und plötzlich wurde ihm klar, dass er allein der Grund ihres Zersplittens war.

Besorgt lehnte sich Korkut vor, als die Farbe aus dem Gesicht seines Gegenübers wich. "Fühlt ihr euch nicht wohl? Woll ich Samut rufen?" Altairs Antwort war ebensowenig überzeugend wie der Ton, in dem er sie vorbrachte, doch Korkut spürte, dass er sie akzeptieren musste. "Nein, es ist nichts. Alles in Ordnung. Nun, wollt ihr mit eurer Geschichte fortfahren?"

"Wenn ihr es wünscht! Leiala war bald schwanger und das Vehalten des Meisters ihr gegenüber änderte sich schlagartig. Ständig war er um ihr Wohl besorgt, er besuchte sie sogar täglich, wenn Cihan nicht in Maysaf weilte. Unsere damaligen Lehrer sprachen davon, dass sich eine Prophezeihung erfüllen sollte, die aus alten Tagen stammte. Niemand vermochte uns zu sagen, was genau damit gemeint war, aber als ihr geboren wurdet, war klar das zumindest Al Mualim wusste, worum es ging. Cihan war auf dem Weg von Jerusalem zurück, er hatte die Nachricht erhalten, dass eure Mutter in den Wehen lag, aber er selbst muss gewusst haben, dass er es nicht mehr rechtzeitig schaffen würde. Al Mualim befahl Leiala auf die Festung bringen zu lassen, ließ seine besten Gelehrten kommen und wohnte der Geburt bei. Er war es, der euch als erster in Händen hielt." Korkut biss sich auf die Zunge, als er Altairs Ausdruck sah, vielleicht war er doch zu weit gegangen. Doch nun, so kurz bevor sich für den Assassinen bedeutungsvolle Dinge enthüllten, wollte er nicht aufhören zu fragen. "Er hat mich gesegnet?" "Mehr noch, er hat euch, als ihr euren ersten Atemzug tatet, zu einem vollwertigen Bruder unseres Ordens erklärt!"

Schleichend regten sich die altbekannten Schmerzen hinter Altairs Stirn. Fetzen fremder Erinnerungen zogen an ihm vorbei und er verspürte den Drang, mit dem Kopf gegen die Wand zu laufen. Das alles ergab keinen Sinn! Warum hatte Al Mualim ihn töten wollen, wenn er eine Prophezeihung war? Warum ließ er ihn wieder auferstehen?

Korkut spürte, dass Altairs Kräfte langsam schwanden und beeilte sich, zu Ende zu kommen. "Nun, bis zu diesem Zeitpunkt war alles gut verlaufen, doch in jener Nacht, in der ihr das Licht der Welt erblicktet, nahmen die Kreuzfahrer Akkon ein. Der Krieg hatte unser Land erreicht und plötzlich gab es tausende Aufgaben, die sich uns stellten, wenn wir nicht zusehen wollten, wie das Heilige Land zwischen den Fronten zerfiel. Cihan war beinahe nur mehr in den Städten und kehrte wenn nur für einige Worte mit dem Meister zurück. Irgendwann hat es eurer Mutter gereicht und sie beschloss, ihn zu verlassen. Er kehrte in eben jenem Moment verletzt heim, als sie die Sachen packte. Auch Al Mualim hatte davon erfahren und eilte zu ihnen. Nach Kräften versuchte er Leiala zum Bleiben zu überreden, doch Cihan forderte, dass er sie gehenließ, wenn dies nun ihr Wille sei." "Und dann forderte er von ihr, dass er mich eines Tages zu sich holen dürfe, wenn ich es denn wollen würde." "Ja, so ist es geschehen." Korkuts Hände begannen zu schwitzen, als Altair eine weitere Frage stellte. "Ich hätte keine Wahl gehabt, oder? Wenn mein Vater mich nicht geholt hätte, hätte der Meister es getan!" Nervös zupfte Korkut an seinem Ärmel. "Vielleicht, vielleicht auch nicht! Warum wollt ihr eigentlich plötzlich so viel über die Vergangenheit wissen?" Schwach klang die Stimme des Assassinen, als er das Gespräch zu einem Ende brachte. "Weil ich wissen will, warum ich immer noch am Leben bin. Ich danke euch für eure Ehrlichkeit Korkut! Kann ich hoffen, dass diese Unterhaltung unter uns bleibt?" Der Meisterreiter erhob sich, nickte und hielt an der Tür kurz ein, bevor er den Raum verließ. "Friede sei mit euch, Altair!" "Mit uns allen, mein Bruder!"