2. Ankunft in Masyaf

Aus Stunden wurden Tage und Amir konnte sich nicht entsinnen, wie lange sie Akkon schon verlassen hatten. Malik hatte sie weit hinter die Grenze des Wirkungsbereiches der Stadt gebracht, erst dort wagte er es ein weiteres Pferd zu erstehen. Amir hielt die Zügel in seinen Händen und Adalla in seinen Armen. In den letzten Tagen hatte sie es sich angewöhnt während ihrer Reise vor sich hinzudösen, die Ereignisse hatten eine tiefe Erschöpfung bei ihr hinterlassen.

Malik wusste viel zu erzählen über die Dörfer, die sie passierten, und er gab Amir ständig Anweisungen, wie er sich zu verhalten habe, falls Wachen auftauchten. Seit Tagen waren sie nur geritten, tagsüber und zum Teil auch Nachts, wenn Malik keine Bleibe als rechtmäßig empfand. Amir konnte nicht umhin zu bemerken, dass Malik ständig Dingen auswich, die Schwierigkeiten bereiten konnten.

Kamen sie in eine größere Stadt, wies er Amir an bei den Pferden und seiner Schwester zu bleiben und kehre mit Taschen voller Essen und absonderlichen Dingen wieder zurück. Da Amir sich beinahe nicht mehr erinnern konnte, wann die Reise begonnen hatte, hatte er auch das Gefühl, sie würde nie enden. Alle Fragen dazu ließ Malik unbeantwortet und Amir zog es vor beleidigt zu schweigen wenn der Ältere ihn lächelnd erklärte, dass werde er erfahren wenn sie angekommen seien.

Im Moment ritten sie schweigend dahin und versuchten, mit der Hitze fertig zu werden. Malik hatte immer genug Wasser um ihren Durst zu stillen, aber den Pferden setzte die trocken Wüste zu. Träge zogen sie ihre Hufe durch den Sand und prusteten unaufhörlich. Im Gegensatz zu seinen sonstigen Sitten vermochte Amir in Maliks Gegenwart nicht lange still zu sein. Je trotziger und offensichtlicher er schwieg, desto wissender und freundlicher wurde Maliks Miene. Amir fühlte sich beinahe zum Reden gezwungen. "Da ist etwas, dass ich mich schon lange frage, Malik. Woher kennt ihr meinen Namen?" Der junge Mann warf Amir einen vergnügten Blick zu. "Der Wind hat ihn mir geflüstert. Und auch wo ihr seid." Amir seufzte. Malik sprach ständig in Rätseln und es war schwer zu erkennen, was er wirklich meinte. "Aber es muss doch einen Grund dafür geben, dass ihr mich und Allada aus Akkon fortbringt. Denkt ihr nicht auch wir haben ein Recht darauf zu erfahren warum?" "Alles zu seiner Zeit, mein Freund." antwortete Malik schlicht. Wieder eine Ausrede. Erneut verheißungsvolle Versprechungen. Die Hitze und die Ereignisse der letzten Tage hatten Amir reizbar gemacht und nicht zuletzt hatte er langsam die Angst vor Malik verloren. Er wollte nicht auf die rechte Zeit warten. Er wollte es erfahren, hier und jetzt. Ruppig hielt er das Pferd an und sprang aus dem Sattel, nur um sich Sekunden später vor Malik aufzubauen. "Steig ab. Wir klären das hier und jetzt, von Mann zu Mann. Ich möchte nicht weiter von dir belogen werden." Malik musterte den kleinen Jungen, der mit drohend erhobenen Fäusten vor dem riesigen Pferd schwang. "Verrückt," dachte er. "Wir stehen hier inmitten der Wüste, ich bin bis auf die Zähne bewaffnet und doch würde er sich mir wahrlich stellen." Malik wusste mehr über Amir, als diesem lieb gewesen wäre. Sein Lehrer, Amirs Vater, hatte sich bemüht den Schritten seiner Kinder zu folgen. Auch wenn er nicht bei ihnen sein konnte und es bis zu ihrer Flucht nie gewagt hatte, sich ihnen zu zeigen, wusste er doch über viele Digne bescheid. Als Novize war es Maliks Pflicht gewesen, seinem Meister zu folgen. Und ihm ein Versprechen zu geben. Immer noch wartete Amir fodernd auf eine Antwort. "Du bist mutig, Amir. Er hatte recht. Er kannte dich kaum und doch hatte er recht. Du besitzt einen unbändigen Willen." "Wer hatte recht? Sprich endlich klar zu mir!" In Amirs Augen konnte Malik ein gefährliches Glimmen erkennen. Der Junge war kurz davor durchzudrehen. Bei aller verwunderlicher Stärke, die der Zehnjährige an den Tag legte, sein kindlicher Geist schien nur noch wenige Momente davon entfernt zu brechen. Malik entschied sich, sein Versprechen zu brechen. "Dein Vater, Amir. Er hat mich zu euch gesandt."

 

Der Drang Malik zu schlagen wich aus Amirs Körper. Er fühlte sich mit plötzlich leer und verloren. Langsam ließ er sich zu Boden sinken und schlang die Arme um seine Knie. Allada war aufgeschreckt, als er abgesprungen war und hatte die Szene stumm beobachtet. Zum ersten Mal seit Tagen sprach sie wieder und für Amir war es, als höre er das einzige vertraute Geräusch auf Erden. "Du kennst unseren Vater? Wo ist er?" Erneut fiel Amirs Blick auf Malik. Er war abgestiegen und hatte begonnen in den Taschen seines Sattels zu kramen. Vorsichtig zog er eine Pergamentrolle hervor. Amir schien es, als würde Malik mit sich kämpfen als er zu ihm trat und ihm die Rolle reichte. "Ich sollte dir dies noch nicht geben Amir. Du bist müde, verwundet von den Bildern der letzten Tage. Wisse nur, er wollte niemals, dass euch Schaden geschieht. Und er hätte es verhindert wenn er gekonnt hätte." Malik ging zu den Pferden und versorgte ihre Zügel. Allada ließ sich neben Amir nieder. Dieser drehte die Rolle vorsichtig zwischen seinen zitternden Händen. Ein Siegel hielt das Papier zusammen, es zeigte einen Adler der seine Schwingen hob. Ehrfurcht durchfuhr den Jungen. Was er in den Händen hielt war kein einfacher Brief. Die Rolle schien unendlich schwer zu sein. Die Angst vor ihrem Inhalt drohte den Jungen zu überwältigen und so gab er sich einen Ruck und er öffnete die Nachricht. Eine säuberliche, gestochene Schrift sprang in sein Auge. Er saugte sich an den Worten fest, begann atemlos die Zeilen zu überfliegen.

 

 

An meine Kinder,

 

ich bin euch nie ein guter Vater gewesen. Eigentlich hätte ich nie ein Vater sein sollen. Es war mir nicht bestimmt. Und doch erfüllte mich Stolz, als ich euch heute auf dem Marktplatz sah. Die Schöhnheit Alladas hat mich geblendet und Amir, mein Junge, du bist auf dem rechten Weg. Erfolg ist nicht immer eine Frage der Disziplin, sondern der Umstände.

Es berührt mich schmerzlich, dass dies die letzten Worte sein könnten, die ich an euch richte. Ich ließ eure Mutter gehen um sie und euch zu schützen, denn ich habe mir viele Feinde gemacht. Letztendlich aber habe ich versagt. Sie haben euch gefunden. Nach diesen Zeilen werde ich zu eurem Haus aufbrechen und tun was von Nöten ist, um euch zu retten. Sollte ich keinen Erfolg haben, wovor mir graut, hat mein Novize Malik es geschafft euch zu finden und diese Nachricht zu übergeben. Ihr werdet in Sicherheit sein. Folgt seinen Worten, er wird euch führen.

Allada, du wirst einst die Blume der Wüste sein, der Schöhnheit und Klugheit deiner Mutter ebenbürdig. Vergiss nie wer du bist.

Amir, mein Sohn. Überbringe diesen Brief Al-Mualim, zu dem dich Malik führen wird. Er wird wissen was zu tun ist. Sei wachsam, mein Junge und vor allem vergiss niemals das nichts wahr, jedoch alles erlaubt ist, wenn dein Handeln stets dem Guten dient. Nichts ist von Bestand Amir, nur was du tust erinnert irgendwann an dich, im Guten wie im schlechten Lichte. Ich habe Fehler gemacht. Ich werde sie büßen.

 

In Liebe

Euer Vater

 

In der Stille der Wüste regte sich kein Sandkorn. Alladas Gesicht war mit Tränen benetzt. Langsam hob sie ihren Blick. Was sie sah ließ sie erzittern. Amir hielt immer noch den Brief in den Händen. Seine Finger waren seltsam verkrampft, sein Gesicht eine Maske. Doch das schlimmste war sein Blick. Amirs wunderschöne Augen hatten sich in dunkle Seen verwandelt und er starrte ins Leere. Adalla hob ihre Hand um ihn zu berühren, ließ sie jedoch langsam wieder sinken. Etwas seltsames ging von ihrem sonst so vertrauten Bruder aus. Es schien ihr beinahe, als wäre er innerhalb von Sekunden ein Fremder geworden.

Mit regungsloser Miene erhob sich Amir und ging zu den Pferden. Schweigend setzten die drei die Reise fort.

 

Seit Tagen folgten die drei REisenden dem ständig gleichen Ritual aus Reiten, Essen, Reiten Schlafen und Reiten. Die Tiere gingen stoisch vor sich hin, zumal ihre Reiter keine Anstalten machten die Geschwindigkeit zu erhöhen. Die nächtlichen Lager, die sie bezogen, lagen meist weit ausseits der kleinen Orte, wo niemand fragen stellte und auch auf ihrem Weg kreuzte sie keine Menschenseele.

Seit Malik den Kindern den Brief anvertraut hatte herrschte Stille. Das erdrückende Schweigen senkte sich wie Blei auf die kleine Gruppe und keiner wagte es, den anderen anzusehen. Alles floss gleichbleibend fort. Einzig die Landschaft hatte sich langsam geändert. Sie waren von der Küste landeinwärts geritten und hatten die grünen Oasen und einzelnen Sträucher hinter sich gelassen. Nach dem langen Ritt durch die Wüste schien nun langsam der Boden wieder fruchtbarer zu werden und hie und da sah man einsame Bäume stur gen Himmel wachsen. Im Moment befanden sie sich auf einem Pfad, der durch die schroffe Schöhnheit einer Hügelwelt führte, deren nicht allzu hohe Wände doch wie Klippen wirkten. Malik trieb sein Pferd an und ließ es traben. Aufmerksam nahm Amir das zur Kenntnis und trieb sein Tier neben ihren Führer. Ab hier schien Malik nicht mehr viel Aufmerksamkeit darauf zu verschwenden, unentdeckt zu bleiben. Anfangs vereinzelt, später in Gruppen tauchten Menschen hinter den Biegungen des Weges auf. Die meisten von ihnen wichen schnell zur Seite, einige wenigen winkten Malik und grüßten ihn freundlich. Diese Männer waren ebenso in Mönchsroben gekleidet, doch Amir hatte genügend Zeit gebracht, Maliks Kleidung zu betrachten. Er wusste, dass sich unter den weißen, langen Gewändern feste Hosen aus Leder und ein Schwert verbargen. Anderlei Waffen, Mixturen und Papiere fanden in einem Gürtel Platz. Schaudernd hatte Amir auch feststellen müssen, dass keiner der Männer mehr einen Ringfinger an der linken Hand besaß, eine Tatsache, für die er bisher keinen Grund zu erkennen vermochte. Weitere Berge stiegen vor ihnen auf und zwischen ihnen wölbte sich die Straße.

Amirs Atem setzte aus, als sie den Zenit des Hügels erreichten. Vor ihm lag ein Bergplateau, voll mit blühenden Pflanzen, einer kleinen Stadt. Über ihr erstreckte sich mayestätisch eine Festung, über deren Zinnen sich Adler im Gleitflug maßen. Amir erinnerte sich an eine Geschichte, die seine Mutter ihnen vor dem zu Bett gehen erzählte, wenn sie Abends Zeit fand. Es ging um einen Held in einer Festung, dessen Glauben ihm erlaubt eine Prinzessin zu retten, nicht aber sie zu lieben. Allada war an ihren Lippen gehangen, sie konnte gar nicht genug über die traurigen Leiden der Liebenden hören. Für Amir war dies Weibergeschwätz, einzig Leialas ausgeschmückte Erzählungen der Stadt bewegten etwas tief in Amir, und so traf ihn das Bild des Tales mit dem Gefühl, es zu kennen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf die bunten Fahnen, die hohen Mauern. Mit einem Schaudern erblickte er die Wachen der Stadt. Wie Mönche waren sie gekleidet. Doch sie alle trugen Schwerter. Und an manchen klebte Blut.

 

Der Weg durch die Stadt war nicht weiter beschwerlich. Anders als in Akkon, wo Amir ständig versucht hatte anderen auszuweichen, am Rande der Wahrnehmung zu bleiben, schritt er hier hinter Malik durch die entstehende Schneise und betrachtete alles mit den unschuldigen Augen des Kindes, dass er war. An einigen Ecken grüßten Wächter Malik freundlich und Amir hatte Zeit sie genauer zu betrachten. Junge Männer standen stolz vor Kirchen, auf Märkten und in den Straßen, auf ihrer Brust ein seltsames Zeichen, sie selbst in Kutten gehüllt. Adalla schien vom Staunen ebenso überewältigt zu sein, mit leicht geöffnetem Mund wanderte sie an Amirs Hand durch die Straßen, stieß nur hin und wieder ein "Oh." aus. Amir war sich nicht sicher ob sie den Schock schon überwunden hatte. MEhrmals hatte sie versucht, mit ihm über das Geschehe zu sprechen, doch er hatte jegliche Konversation abgelehnt. Amir hatte Angst irgendetwas in seinen Worten könnten Allada seine Gedanken verraten. Zum ersten mal in seinem Leben wollte er sie nicht mit seiner Schwester teilen.

Amir prallte gegen Maliks Rücken. Ihr Führer war stehengeblieben. Vor ihnen erhob sie die Burg Maysaf majestätisch aus dem schwarzen Felsen. Die Sonne spiegelte sich an den Waffen der Wächter auf den Zinnen wieder und Adler kreisten schreiend hoch über ihr. Dies schien ihr Ziel zu sein. Der Hauptsitz der Assassinen.

In Akkon hatte kaum jemand über sie gesprochen. Nur von reisenden Händlern, die er und Adalla des Abends im Hause des Großvaters bewirteten, hörte er manchmal von ihnen. Es waren wilde, düstere Geschichten voll Blut und Schrecken und Adalla träumte nachts oft noch im Alp nach Abenden voll dunkler Begebenheiten. Amir selbst hatte nur wenig Interesse dafür aufgebracht. Die Assassinen mussten kräftige Barbaren aus der Stadt Maysaf sein, gottlos und fürchterlich, doch so beschrieben die Kreuzfahrer jeden, der nicht ihrem Glauben folgte. Also vermutete der Junge nicht mehr hinter den Erzählungen als die im Trunk ersonnen Spinnereien alter Männer. Lediglich einmal hatte er, nach einer besonders blutrünstigen Ausführung einen Händler angesehen und eine Erklärung gesucht. "Wenn diese Männer so barbarisch sind, wenn sie keine Moral, kein Gewissen haben, warum töten sie immer im Einzelnen? Wäre es nicht logischer, sie würden ihre Kraft bündeln?" Der dürre, nervös wirkende Mann hatte laut gelacht, während Großvater Amir am Ohr zu sich zog und ihn böse anstarrte. Später hatte Amir seine obligatorische Tracht Prügel empfangen, nur dass er diesmal wirklich nicht wusste, wofür.

Nie im Traum hätte er daran gedacht, dass die Gute Nacht Geschichte seiner Mutter die eines Assassinen war. Doch sie musste es gewesen sein...zu ähnlich der Wahrheit war das Bild der Festung, dass sich in seinen Gedanken gebildet hatte.

Amir mochte noch ein Kind sein. Es gab vieles das er nicht gleich verstand. Nach reiflichen Nachdenken über den Zusammenhang der Dinge formte sich jedoch nach und nach eine Erkenntnis in ihm. Deswegen hatte Leiala ihren Vater verlassen. Deswegen wollte Amir nicht mit Adalla sprechen. Er wusste nun, dass sein Vater ein Mörder gewesen war.

Und Malik sein Lehrling. Dieser wandte sich zu ihnen um. "Nun gut, wir haben es geschafft. Hier werdet ihr in Sicherheit sein." Freude durchfuhr den jungen Mann, als er endlich wieder Worte von Amirs Lippen vernahm. "Bist DU dir da sicher?" antwortete er schlicht, doch der leichte Spott in seiner Stimme war für Malik das Zeichen, dass Amirs Verstand längst wieder geregelte Wege ging. Er hatte gehofft keinen Fehler begangen zu haben, als er Amir den Brief aushändigte. Sein Lehrer hatte ihn angewiesen, dass der Junge ihn erst bei der Ankunft in Maysaf erhalten sollte. Malik versuchte Amirs Gesicht zu deuten. Er kam aus einer großen Familie mit mehreren Brüdern und für Amir empfand er schon nach der kurzen Zeit, in der sie sich kannten, eine tiefe Freundschaft. Der Junge verblüffte Malik mit seinem messerscharfen Denken, verwirrte ihn mit seinem Auge für Details und ließ ihn lächeln über die unkontrollierten, aber doch stets aus tiefstem Willen entspringenden Wutanfälle. Er spürte Großes in Amir und war glücklich, ihn unbeschadet hier her gebracht zu haben. Auch das Mädchen hatte die Reise unbeschadet überstanden. Welchen Platz sie unter Al-Mualims strenger Führung finden würde, vermochte Malik nicht zu sagen. Der Meister duldete keine Frauen in der Burg. Alle Tätigkeiten des täglichen Lebens mussten die Assassinen selbst ausführen. Oder besser ihre Novizen. Doch daraus ergab sich ein gewisser Vorteil: Die Männer waren ständig auf ihre Aufgabe konzentriert. Oder trieben sich im Dorf herum, wenn sie gerade keine hatten.

Malik schüttelte einen flüchtigen Gedanken an dralle, leicht gekleidete Mädchen ab und setzte den Weg fort. Es wurde Zeit, dass er die Kinder Al-Mualims Verantwortung übergeben und sich seinen eigenen Bedürfnissen zuwenden konnte.

 

Wie eine steinerne Wand ragte das riesige Tor der Burg vor ihnen auf. Seine Schwester hatte angefangen Malik aufgeregte Fragen zu stellen, auf die sie meist rätselhafte Antworten erhielt und lenkte so die Aufmerksamkeit des Assassinen auf sich. Für Amir ein willkommener Moment. Hier war er also. Er war ungewollt einem Pfad zu seinem Ahnen gefolgt und sein Weg hatte ihn hier her geführt. Amir harrte der Dinge, die da kamen. Wenn er eines nicht war, war das von Natur aus ängstlich. Sicher, er fürchtete sich vor vielen Dingen, vor dem surrenden Geräusch von Kamelstöcken, vor Schreien an der Aussenseite von Akkons' dicken Mauern, vor Hammud und seinen Freunden. Aber er hatte beschlossen, Al-Mualim nicht wie ein kleiner Junge entgegenzutreten. Wer immer dieser Mann war, er sollte spüren, dass Amir sich keinem fremden Willen mehr unterwerfen würde. Das war vorrüber, sein Großvater war tot und Amir hatte ein stilles Versprechen an sich abgelegt, dass er nie wieder einem Menschen derartige Kontrolle über sich erlauben würde. Hoch erhobenen Kopfes schritt er neben Malik durch die Torböen und über einen Innenhof, in dem sich ein kreisrunder Holzzaun befand. An seiner Innenseite schlugen zwei Jungen, vielleicht 3 Jahre älter als er, mit langen, dünnen Holzstäben aufeinander. Andere Jungen lehnten an der Ausseinseite des KReises und schienen amüsiert den "Kampf" zu betrachten. In der Mitte stand ein weiterer Assassine, der mit ruhiger, aber fester Stimme Anweisungen an die beiden Übenden gab. Als er Malik erblickte unterbrach er seine Schüler und wies alle Jungen an, sich in ihre Unterkünfte zu begeben. Malik hatte am Zaun eingehalten und wartete geduldig, bis der Kampflehrer sich ihm näherte. "Friede sei mit dir, mein Bruder! Die Nachrichten vom Tod deines Lehrers haben uns erreicht. Ich fühle mit dir." begann er. In Amirs Augen blitzte einen Moment lang das Bild einer brennenden Gestalt. "Ich danke dir, Hassan. Wahrlich trifft es mich ins Herz, jedoch starb er bei der Erfüllung einer wichtigen Mission, eine würdevollen Aufgabe. Er hätte es sich nie anders gewünscht." Hassan zuckte mit den Mundwinkeln und warf einen Blick auf die Kinder. Täglich hatte er mit den Novizen zu tun, sie kamen als rangelnde zwölfjährige zu ihm und verließen seinen Ring als die besten Kämpfer des Königreiches und erwachsene Männer und so kannte er viele Arten von Jungen.

Dieser schien Hassan vom ersten Blick an anders zu sein, als alle, die er zuvor gekannt hatte. Er war noch so jung, dass sein Gesicht den verschmitzten Ausdruck eines kleinen Kindes zeigen hätte müssen, stattdessen begegnete Hassan dunklen, brennenden Augen und einer ausdruckslosen Maske.

Das Mädchen war schön, ihre Anwesenheit überraschte Hassan jedoch sehr. Malik und den Jungen hatten sie erwartet. Das der Novize nun auch das Mädchen mit sich brachte, mochte einige Schwierigkeiten bescheren.

Hassan beschloss, seinen Bruder nicht länger aufzuhalten. "Es wird Zeit Malik. Al-Mualim erwartet euch."